Geht man durch unsere Stadt, so stößt man hier und da auf Litfaßsäulen, die heutzutage offensichtlich nur noch spärlich zu Werbezwecken genutzt werden. Diese „Annonciersäulen“, wie sie nach ihrer Erfindung durch den Berliner Ernst Litfaß zunächst genannt wurden, gibt es in Naumburg seit Ende des 19. Jahrhunderts. Begonnen hatte ihre Geschichte in Berlin, wo 1854 erstmals die Aufstellung solcher Werbeträger, wie man sie heute bezeichnen würde, genehmigt wurde. Ernst Litfaß sicherte sich von der Stadt Berlin ein bis 1865 gültiges Monopol für die Aufstellung der Säulen und übernahm die Verpflichtung, stets die neuesten Nachrichten zu publizieren, wodurch er zu großem Reichtum kam. Nach seinem Tode im Jahre 1874, verbreiteten sich die Litfaßsäulen, wie sie ihm zu Ehren genannt werden, in ganz Deutschland. Heute soll es noch über 50.000 Stück in unserem Lande geben.
Weniger berühmt als Ernst Litfaß ist sein vier Jahre älterer Bruder Franz, der über 30 Jahre in Naumburg gewirkt hat. 1845 übernahm der gelernte Buchdrucker, der als immer lebenslustig beschrieben wird, die Druckerei seines im gleichen Jahre verstorbenen Schwiegervaters Karl August Klaffenbach, nachdem er dessen Tochter Emilie geheiratet hatte. Karl August Klaffenbach begründete 1812 das „Naumburger Wochenblatt“, in dem in jener Zeit neben amtlichen Bekanntmachungen hauptsächlich Beiträge zur Heimatgeschichte veröffentlicht wurden. Berichte zu aktuellen politischen Ereignissen, wie wir sie heute kennen, gab es noch nicht. Mit der Übernahme der Druckerei ab 1845 führte Franz Litfaß auch das „Naumburger Wochenblatt“ weiter.
Im Zuge der revolutionären Ereignisse des Jahres 1848 wurde neben der Versammlungs- und Vereinsfreiheit u. a. auch die Pressefreiheit durchgesetzt. Franz Litfaß, der in Naumburg zu den entschiedenen Demokraten gehörte, gab daraufhin in seinem Verlag verschiedene politische, allerdings kurzlebige Zeitungen heraus. Mit dem Scheitern der Revolution und der Auflösung der Nationalversammlung ging die Justiz auch in Naumburg gegen die Demokraten vor: 43 Naumburger wurden wegen Aufruhrs verurteilt, darunter Franz Litfaß zu einem Jahr Festungshaft, weil er ein zur Revolution aufrufendes Plakat drucken ließ.
1848 nahm Franz Litfaß als erster Druckereibesitzer in Naumburg eine moderne Schnellpresse in Betrieb. Vielleicht durch den Erfolg seines Bruders Ernst angeregt, hatte er die Idee, Werbung auf transportablen Säulen zu machen, fand dabei aber bei den Naumburgern wenig Interesse.
1862 ließ er stattdessen Anschlagkästen an den Straßenecken anbringen, in denen hinter Drahtgittern täglich Anzeigen angeklebt wurden. 1875 starb er und erlebte damit nicht mehr den Einzug der ersten Litfaßsäulen seines Bruders Ernst in Naumburg.
Ergänzung 2024:
Heute stehen davon noch 24 Stück im Stadtgebiet. Doch wie ist es um sie bestellt? Im Februar 2024 war im Tageblatt dazu zu lesen, dass die „insgesamt 25 sonst so bunten, mit vielen kulturellen Ankündigungen aufwartenden städtischen Litfaßsäulen momentan plakatlos und teils bis auf den blanken Beton vom alten Papier befreit ihr Dasein fristen. Der Grund: Günter Manger, der über Jahre die Litfaßsäulen mit aktuellen Plakaten beklebt hat, trat seinen Ruhestand an. Zu diesem Zeitpunkt lief sein Pachtvertrag mit der Stadt aus. Vor 50 Jahren war das Bekleben der Säulen anders organisiert, wie wir in der LDZ nachlesen können: „Mit Fahrrad samt Anhänger und Leiter ist sie zweimal in der Woche am späten Nachmittag unterwegs: Angelika Rüdiger. Seit Oktober vorigen Jahres sorgt sie mit Pinsel und Kleistertopf für aktuellen Anschlag an den Naumburger Litfaßsäulen. Und das nebenberuflich, denn tagsüber arbeitet die junge Naumburgerin als Sachbearbeiterin des Postzeitungsvertriebes bei der Deutschen Post. Insgesamt 36 Anschlagsäulen im Stadtgebiet werden von Ihr im Auftrag der DEWAG betreut, mit neuesten Bekanntmachungen und Werbung beklebt.“ Derzeit findet man an den Säulen wieder einige Plakate. Bleibt zu hoffen, dass das Vorhaben der Stadt, die Säulen in ein touristisches Leit- und Infosystem zu integrieren, realisiert wird.