1000 mal Naumburg an der Saale

Feuilleton

Die Straßenbahn gehört zu Naumburg wie der Dom

Von

Ralph Steinmeyer

Dieser Satz von dem ersten Oberbürgermeister nach der Wende, Curt Becker, brauchte in den 90ern mehrere Jahre  Zeit, bis er gesagt wurde. Erst einmal wurde die Straßenbahn, nachdem Steuergelder in der Bahnhofstraße in den zwei Nachwendejahren verbaut worden waren, von Curt Becker stillgelegt und allen Straßenbahnern 1992 gekündigt. Man setzte damals seitens des damaligen Kreises Naumburgs auf drei neue Buslinien und große Busse, die heut zu Tage zumeist mit wenigen Fahrgästen besetzt die kleinen Straßen der Innenstadt verstopfen.

Nun aber ist die Straßenbahn 132 Jahre alt, und die Betreiber schauen auf 30 bewegte und bewegende Jahre als GmbH zurück. Mit unglaublicher Hilfe von vielen direkt Beteiligten wie auch engagierten Bürgern und Spendern ist es eine Erfolgsgeschichte Sondergleichen, an allen Hürden und bürokratischen Steinen vorbei.  Seit 2007 ist die historische Straßenbahn auch im Nahverkehr unterwegs und da ein verläßliches Verkehrsmittel bei “jedem Wind und Wetter”. Folglich waren die Lobeshymnen der Laudatoren aus Politik und Kultur beim Empfang am 20. September auch euphorisch. Allerdings: Anstelle vom Landrat sprach Wirtschaftsdezernent Thomas Böhm blumig (die Türen stehen offen, einfach miteinander reden), anstelle des Oberbürgermeisters sprach Baudezernentin und 2. Bürgermeisterin Ute Freund (Teil unseres kollektiven Gedächtnis). Die Fahrgastzahlen sind sprunghaft gestiegen und werden dieses Jahr bei 290.000 liegen, das hängt auch mit dem 49.-€ Ticket zusammen und da liegt das Problem. Es bindet mehr Mitarbeiter, bringt aber Null Euro in die Kasse der Straßenbahn GmbH. Es fehlen zwei weitere Festangestellte, was durch Ehrenamtliche nur noch schwer ausgeglichen werden kann. Überhaupt: die Gehälter bei den Busfahrern der PVG sind wesentlich höher, hier muss bei den Löhnen der Straßenbahner nachgearbeitet werden. Da ist der Kreis gefragt, besser gesagt eine ausreichende Förderung, aber die Verhandlungen mit dem alten Kreistag blieben stecken, von kompletter Übernahme durch ihn (spätere Abwicklung inbegriffen), wollte man bei der Straßenbahn verständlicherweise nichts wissen. Gespräche mit dem neuen Kreistag sind bislang Fehlanzeige (aber siehe oben: die Türen stehen offen).

Zwar gibt es die Linien-Genehmigung seitens des Landes bis 2035, aber ohne finanzielle Deckung und Betriebskostenausgleich kann die Straßenbahn die momentanen Herausforderungen nicht buckeln. Und so sprach Gesellschafter Andreas Plehn (dessen Lebenswerk die “Ille” ist) auch Klartext: Sollte sich die Situation nicht ändern, wird man ab Januar das Angebot reduzieren müssen und vor allem aus dem kostenlosen Service für Besitzer des 49.-€ Tickets aussteigen. Da hilft auch kein Unterstützer Tee oder -Brot wie es von engagierten Naumburger Geschäftsleuten angeboten wird und auch die Stadt Naumburg ist gefragt, den Druck auf den Landrat zu erhöhen. Denn, so Andreas Plehn, steht die Straßenbahn erst einmal still, wandern alle Spezialisten, die dort involviert sind, ab und eine Wiederinbetriebnahme wird nicht mehr möglich sein. Ein Szenario, mit dem niemand in Naumburg leben kann und hoffentlich kein Naumburger erleben wird. Das Busunternehmen, die PVG hat mittlerweile neue Linienbusse erhalten. Wieder “Riesenschiffe”, die leer durch die Straßen schippern (kleine Busse werden anscheinend nicht gefördert), da gibt es leider keinen Handlungsbedarf.)

Straßenbahn Naumburg

Im Laufe der Veranstaltung wurde Volker Krebs in den Ruhestand verabschiedet. Der Fachmann hatte 48 Jahre bei der Erfurter Straßenbahn gearbeitet, aber 30 Jahre davon auch die Naumburger Straßenbahn in vielen Fragen begleitet. Er sprach von der Illusion, den Ringschluss der Straßenbahn wieder zu schaffen und auch den Integrationstarif in den Verbund gemäß einer EU Verordnung in den Kreis einzubeziehen. Seine Freude ist groß, dass die Naumburger Straßenbahn mittlerweile Fahrer ausbildet und das der Zusammenhalt unter den Angestellten und den Vereinsmitgliedern nach wie vor sehr eng ist. Aber schaut er auf die bürokratischen Hindernisse (bis jetzt) ist es für ihn eine “Enttäuschung ohne Worte”.

Im Naumburger Tageblatt vom 23.9.24 gibt es eine ausführliche Berichterstattung zu den 132 Jahre Feierlichkeiten; nachfolgend ein Artikel vom 20.9.24 auf der Webseite der www.bahnblogstelle.com, den ich auch hilfreich zum Verständnis finde:

 

 

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