Ein großes Gebäude, zu groß, um einen Investor und eine neue Nutzung zu finden. Das ab 1881 erbaute ehemalige Hotel und Theater „Zur Reichskrone“ am ehemaligen, Bismarck-Platz, dann Theater-Platz, heute Curt-Becker-Platz. 1897 fand dort die erste Kinovorführung statt, 1918 konstituierte sich im Zuge der Novemberrevolution der Naumburger Arbeiter- und Soldatenrat. Während des Nationalsozialismus war das Gebäude Parteizentrale der NSDAP. 1949, nach dem Krieg wurde es in „Haus des Volkes“ umbenannt und diente als Sitz der Kreisleitung der SED.
Noch bis in die 60er Jahre gab es in dem großen Saal Theateraufführungen, bis in die 1980er Jahre hinein fanden Rockkonzerte und Kinovorführungen statt. Daran erinnern sich noch viele ältere Naumburger schmerzlich, da 1986 der Saal wegen Baufälligkeit gesperrt wurde.
Nach der Wende waren Büros, auch von Parteien, vor allem aber die Jugendmusikschule hier untergebracht. Dann wurde es still. Zwar wurde das Dach repariert und teilweise erneuert, um das Gebäude nicht gänzlich dem Verfall preiszugeben. Aber der Versuch, es zu verkaufen scheiterte mehrmals, potentielle Käufer gab es, sie waren aber nicht wirklich solvent.
Das kolossale Deckengewölbe im Stil des Historismus war schon seit Jahrzehnten durch eine schlichte Decke abgehängt. Allein dies zu restaurieren wäre eine immens kostenintensive Aufgabe, die nur Sinn machen würde, wenn die zukünftige Nutzung dem Saale eine neue kulturelle Nutzung zuführen würde. Davor schreckte aber auch der erste Oberbürgermeister nach der Wende, Curt Becker zurück. Die Notwendigkeit eines Kongress-Zentrums ging man aus dem Weg, man mietete über die Sparkasse für 1000.-DM Pacht monatlich einen Saal und nannte ihn Burgenlandsaal. Er ist heute Teil des Hotels „Zur alten Schmiede“.
Dieser Saal rentierte sich nicht, stand mehrheitlich leer, da zu klein für Kongresse und Tagungen. Ironischerweise änderte man nach dem Tod von Curt Becker den Namen des Theaterplatzes, um fortan hier vor der ehemaligen Reichskrone an ihn zu erinnern. Um es mit meinen Worten etwas populistisch zu sagen: „Für große Würfe ist diese Stadt nicht bekannt. Lieber bezahlt man teuer für Fehlentscheidungen.“
Ich möchte an dieser Stelle auch an den Restaurator Ulrich Böduel erinnern, der 68jährig im April 2020 verstarb. Ihm war die „Reichskrone“ immer ein großes Anliegen und 2019 hat er mehrmals Führungen angeboten, die auf eine unerwartet große Anteilnahme der Naumburger trafen und mehrmals wiederholt werden mussten. Böduel war 1990 nach Naumburg gekommen und hatte bei dem ‚Modellstadt Naumburg‘ Konzept unter dem damaligen Oberbürgermeister Curt Becker viel Anteil. Die Farbigkeit der verschiedenen im Originalzustand wiederhergestellten Objekte war seinen denkmalpflegerischen Kenntnissen geschuldet, zum Beispiel am Rathaus-Portal. Er war eine wichtige Persönlichkeit in dieser Stadt und er fehlt vielen Naumburgern.
PS: Falls aus der Reihe der Leser/innen Anmerkungen und Erinnerungen kommen, bitte zusenden. Ich arbeite sie gerne ein.